Erich von Holst und Karl Herzog
1. Prof. Dr. Erich von Holst
- Erich von Holst
mit seinem Modell
Erich v. Holst (1908-1962) untersuchte die biologischen und aerodynamischen Probleme des Tierfluges. In einem Wechselspiel zwischen kreativen Flugmodellen, vielen Experimenten und folgerichtigen Überlegungen gelangte er zu neuen Erkenntnissen über den Schwingenflug. Ein Schwerpunkt seiner Arbeit lag dabei auf der Bestimmung der Kraftverteilungen längs des Flügels beim Auf- und Abschlag.
Diese Vorstellungen von der Aerodynamik und der Flugmechanik des Schwingenfluges waren dann die Grundlage für seine neuen Flügelkonstruktionen mit den dazugehörigen Antriebsmechaniken. Jedes seiner Schwingenflugmodelle war mit einem speziell dafür konzipierten Gummimotor ausgerüstet.
Erich von Holst erklärt die Vortrieb- bzw. Schuberzeugung der Vögel die mit großem Fortschrittsgrad fliegen, mittels einer Auftriebsverlagerung längs des Flügels. Sinngemäß schreibt er dazu in seiner Arbeit Über »künstliche Vögel« als Mittel zum Studium des Vogelflugs (1943) (PDF 3,2 MB):
- Grundprinzip der Auftriebs-
und Schuberzeugung beim Vogelflug
Dies ist das Originalbild mit ungleichen Taktzeiten. Ein Bild mit gleichen Taktzeiten, siehe Fliegen mit annähernd konstantem Auftrieb
Am liebsten wäre es dem Vogel, wenn beim Flügelabschlag der Armteil und beim Aufschlag der Handteil fehlte. Man kann sich das auch so plausibel machen, dass man sich vorstellt, die Flügelfläche wäre verkürzt und könnte an der Längsachse des Flügels entlang rutschen. Sie würde dann am oberen Umkehrpunkt zur Flügelspitze und am unteren Umkehrpunkt zur Flügelwurzel verschoben. Über eine ganze Schlagperiode gesehen wird dabei, unter Beibehaltung der Querkraft Q (bzw. des Auftriebs), der Schub S größer als der Rücktrieb R. Dieser geniale Trick der Natur löst das Rätsel des Vogelfluges.
Dass man die mit dem Rücktrieb verbundene Verlustenergie sogar wieder zurückgewinnen und nutzen kann (siehe Das Flugprinzip / Das Arbeitsprinzip), war damals noch nicht bekannt .
Diese Betrachtungsweise des Schwingenfluges von E. v. Holst - mit seiner Verbindung von Theorie und Praxis - hat die hier dargestellte Entwicklung meiner EV-Schlagflügelmodelle stark beeinflusst.
- 720 x 576 mp4 (3,6 MB)
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Von einigen Schwingenflugmodellen von E. v. Holst gibt es Filmmaterial mit
Aufnahmen in Zeitlupe aus den 1940er Jahren. Zu sehen sind sein großes Modell
Schwan
und das Modell eines Zitronenfalters im Flug.
Außerdem wird sein Triebflügel
mit den rotierenden Schlagflügeln gezeigt - eine Inspiration vom Flug der
Libelle. Das Video ist ein Ausschnitt aus dem Film Wings Over the World
.
1.1 Publikationen von Erich von Holst
Erich v. Holst, Tierflug und Modellflug.
Luftfahrt und Schule, 6. Jahrgang, Dez. 1940, Heft 3, Seite 24-26, Berlin-Charlottenburg
2
Animation der Bilder eines Zeitlupenfilms aus diesem Aufsatz. Man sieht den Bodenstart eines Ornithopters mit Gummimotor und insbesondere die von Erich von Holst empfohlene Einstellwinkeländerung an der Flügelwurzel.
Erich v. Holst mit Dietrich Küchemann,
Biologische und aerodynamische Probleme des Tierflugs. Naturwissenschaften
13. Juni 1941, Volume 29, Issue 24-25, pp 348-362 Springer-Verlag, Berlin
1.2 Kurbelantrieb zur Erzeugung der Schlag- und Verwindungsbewegung des Flügels
Der von Prof. E. v. Holst entwickelte Kurbelantrieb mit Gummimotor und Fadengetriebe erzeugt gleichzeitig die Schlag- und die Drehbewegung des Flügelholms. Dazu wird der vom Kurbelzapfen kommende Lenker am Schlagflügelholm nur in Schlagrichtung drehbar gelagert, in Drehrichtung aber verdrehungsfest.
Auf diese Weise wird die Auf- und Abbewegung des Kurbelzapfens für den Antrieb
der Holmschlagbewegung genutzt. Gleichzeitig bewirkt die Vor- und Rückbewegung
des Kurbelzapfens die Holmdrehung. Der Holm wiederum ist nur mit einer der äußeren
Rippen (Ri) verdrehungsfest verbunden. Auf diese Weise wird die Verwindung des
Schlagflügels aktiv durch die Kurbelmechanik gesteuert. Schlag- und Drehbewegung
des Flügelholmes sind um 90 Grad phasenverschoben. Durch den nicht-gespannten
Faden f
am hinteren Ende der Flügelwurzelrippe wird die Drehung der Flügelwurzel
beim Auf- und Abschlag ermöglicht.
Beschreibungen verschiedener Gummimotor-Bauformen sind bei Karl Herzog, unten in den Aufsätzen von März und April 1963 zu finden.
2. Karl Herzog
Ein großer Verehrer von E. v. Holst war der akademische Maler und Universitätszeichner Karl Herzog aus Tübingen. Er hat sich ganz generell um die Dokumentation der Modelle von Erich von Holst sehr verdient gemacht. Hr. Herzog zeichnete und baute aber auch eigene Vogelmodelle nach den Vorbildern von E. v. Holst und hat sich viel mit dem Vogelflug beschäftigt. Karl Herzog und ich waren über viele Jahre Brieffreunde.
2.1 Der Schwingenflug in der Natur und in der Technik
In den Jahren 1963/64 erschien in der Modellbauzeitschrift
Mechanikus
eine Artikelserie von Karl Herzog, mit dem Titel Der Schwingenflug
in der Natur und in der Technik
. Darin zeichnet und beschreibt er unter anderem,
wie die Schlagflügelmodelle von E. v. Holst gebaut werden. Nachstehend sind
diese Artikel einzeln im PDF-Format abrufbar. Es gibt aber auch eine
Zusammenstellung
(PDF 9,0 MB) aller Artikel.
Von dieser Artikelserie gibt es auch eine alte englische Kurzfassung (PDF 2,4 MB) mit teilweise anderen Bildern. Sie wurde von Louis van Telgen auch ins Niederländische (PDF 1,2 MB) übersetzt.
Versuche in der Geschichte der Fliegerei
PDF1,5 MB
Biophysik des Vogelfluges
PDF1,4 MB
Schwingenflugmodelle von E. v. Holst
PDF1,9 MB
Links der künstliche Rhamphorhynchus im Flug, von E. v. Holst. Der
Flugsaurier wurde von einem Gummimotor angetrieben. Der Antrieb ist zusammen
mit dem raffinierten Fadengetriebe im Buch Gesammelte Abhandlungen Band
II
von E. v. Holst abgebildet (siehe
Literatur, S. 116
und 136).
Siehe hierzu unten Arbeitsweise des Flügels eines Flugsauriers
Schwingenflugmodelle von E. v. Holst
PDF0,7 MB
1963 April
Dies ist der Bauplan vom Schwingenflugmodell Schwan
von E. v. Holst,
gezeichnet von K. Herzog. Es gibt auch ein Video vom Flug des Schwans
(siehe oben).
Diese Ausgabe enthält die Baubeschreibung vom Modell Schwan
und den Bauplan vom Modell Bussard
.
5. Fortsetzung
PDF1,0 MB
6. Fortsetzung
PDF0,7 MB
7. Fortsetzung
PDF0,4 MB
1963 Dezember
Nebenstehend der Plan des Schlagflügelmodells
Bussards
von E. v. Holst, gezeichnet von K. Herzog.
Animation vom Flug des Bussards
in Zeitlupe aus alten Filmbildern
(Erich von Holst: Über künstliche Vögel
als Mittel zum
Studium des Vogelflugs. Journal für Ornithologie, Band 91, 1943).
Die Animation zeigt einen Steigflug des künstlichen Vogels von etwa 30 Grad mit einer Schlagfrequenz von etwa 2,5 pro Sekunde. Man sieht die kleine Verdrehung der Flügelwurzel und die Flügelverwindung.
Bussard
mit Elekroantrieb
Das Modell hatte eine Kurbelmechanik entsprechend dem Antrieb von E. v. Holst,
bzw. entsprechenden Zeichnungen von Karl Herzog (siehe oben).
8. Fortsetzung
PDF0,7 MB
Wege zum technischen Schwingenflug
PDF1,0 MB
1964 Februar
Dieser Artikel enthält den Plan für ein
flugfähiges Vogelmodell vom Typ Saatkrähe
in Kartonbauweise.
Die 3D-Form dieses gefalteten Papierflügels ist den Vogelflügeln nachempfunden (Karl Herzog). Sie ist vielleicht hilfreich bei der Beschreibung der Veränderungen von Profilwölbung und Anstellwinkel am Ellbogen, wenn der biologische Flügel gestreckt oder zusammengezogen wird.
Das Copyright der Artikelserie von Karl Herzog liegt heute beim Aue-Verlag, Möckmühl. Texte und Zeichnungen dürfen nicht an anderer Stelle veröffentlicht werden.
2.2 Weitere Werke von Karl Herzog
Später schrieb Karl Herzog das
Buch Anatomie
und Flugbiologie der Vögel
(1968). Es enthält auf den Seiten
136 bis 168 den Abschnitt Demonstration des Tierfluges an Hand von Vogelmodellen
und Schwingenflugapparaten
. Leider ist das Buch im Handel nicht mehr erhältlich.
2.3 Deutsches Museum
Karl Herzog wirkte auch maßgeblich bei der Gestaltung der ständigen
Ausstellung Flug in der Natur
im Deutschen Museum in München mit.
-
Funktionsmodell
in Aktion (800 KB)
Glasvitrine im Deutschen Museum
Schlagflügel-Funktionsmodell mit einer aktiven Armflügelverwindung durch Holmdrehung, gebaut 1985, nach einem Vorschlag von Karl Herzog.
Bauplan für das Funktionsmodell
zur Demonstration der Schlag- und Drehbewegungen der Flügel beim Schwingenflug der Vögel.
Bauplan für das Funktionsmodell
zur Demonstration der Schlag- und Drehbewegungen der Flügel beim Schwingenflug der Vögel.
3. Arbeitsweise des Flügels eines Flugsauriers (Pterosauria)
Karl Herzog hat festgestellt, dass bei Vögeln im Zustand der Flügelstreckung die Sehnen und Bänder des Flügels so gespannt sind, dass der Flügel mit einer aerodynamischen Schränkung auf Gleit- oder Segelflug eingestellt ist (siehe hierzu sein Buch Anatomie und Flugbiologie der Vögel 1968, Seite 43). Muskelkraft ist demnach zur Einstellung der richtigen Flügelverwindung nicht erforderlich, sondern nur für die Flügelstreckung. Sie wird insbesondere von Muskeln des inneren Flügels aufgebracht. Das war so vermutlich auch bei Flugsauriern der Fall.
Vögel stabilisieren den Anstellwinkel längs des ganzen Flügels, mit Federn die an den Knochen verdrehungsfest verankert sind. Flugsauriern stand dazu insbesondere der Flugfinger zur Verfügung. Mit ihm haben sie auch die Zugspannung der Flügelmembrane kontrolliert. Dazu verfügten sie wahrscheinlich über einen ähnlichen Streck- und Verwindungs-Mechanismus wie heute die Vögel.
Demnach waren bei einem Flugsaurier mit ausgestrecktem Flügel und ohne Anströmung, die Flügelspitzen außen relativ weit nach unten gebogen. Der Einstellwinkel längs der ganzen Spannweite war groß. Bei Anströmung mit Gleitgeschwindigkeit haben sich dann mit Hilfe der Actinofibrillen, aeroelastisch geeignete Profilwölbungen und die dazu passenden Anstellwinkel eingestellt. Gleichzeitig hob der Auftrieb den Flügel bis in die Gleitflugstellung an.
Davon ausgehend, stellen sich auch beim Abschlag, mit seinem nach außen verlagerten Auftrieb, die richtige Profilwölbung, der richtige Anstellwinkel und eine geeignete Flügelform aeroelastisch ein.
Pterodactyl
(Kurzschwanzflugsaurier) beim Flügelaufschlag
Das Bild ist abgeleitet vom Flugbild eines
Schwans von vorne, beim Flügelaufschlag.
Um diesen Automatismus auch beim Flügelaufschlag zu nutzen, muss die Flügelmembrane hinten immer straff gespannt sein. Nur so kann sich, insbesondere am inneren Flügel, genügend Auftrieb entwickeln (siehe Bild). Ein Abwinklung des äußeren Saurierflügels nach hinten, wie bei Vögeln, ist also sehr unwahrscheinlich. Eine Abwinklung nach unten würde dagegen die Zugrichtung der Flügelmembrane-Hinterkante positiv beeinflussen. Zusätzlich kommt, zur Unterstützung der Auftriebsverlagerung bzw. der Schuberzeugung, auch für Flugsaurier eine Nickbewegung des Körpers in Betracht (siehe hierzu Kapitel 6, Auftrieb beim Flügelaufschlag, Version 10.1, PDF 1.0 MB). Dadurch wird insbesonder der Anstellwinkel am inneren Flügel beim Aufschlag vergrößert.
Es ist sicher sehr anspruchsvoll einen Ornithopter mit so einer Flugtechnik zu bauen (siehe Nachbau eines Flugsauriers - eines Quetzalcoatlus Northropi, von Paul MacCready).
4. Weiterführende Links
- Studiengemeinschaft Wort und Wissen e.V.
Dino-Federvieh - Zum Ursprung von Vogelfeder und Vogelflug
geschrieben von Reinhard Junker (2017):
https://www.wort-und-wissen.org/artikel/dino-federvieh-zum-ursprung-von-vogelfeder-und-vogelflug/
und zusätzliches Online-Material - PDF
Kapitel 4. Modelle zur Entstehung des Vogelflugs
http://www.si-journal.de/jg25/heft1/feder-und-flug.pdf